Statement von Helen Schüngel-Straumann an der Medienkonferenz am 15. August 2014

Als feministische Theologin kämpfe ich vor allem gegen die Diskriminierung von Frauen. Die verschiedenen Anliegen zu Geschlechtergerechtigkeit hängen aber zusammen, so etwa die Frage des Zölibats. Die Initiative will aufzeigen, wo der Reformbedarf inzwischen zum Himmel schreit.

Was das Weiheamt für Frauen betrifft, wird von Rom wiederholt argumentiert, die Kirche sei wegen des Beispiels Jesu nicht befugt/legitimiert, Frauen zu weihen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Jesus hat weder Männer noch Frauen geweiht, er hat aber Jünger und Jüngerinnen berufen. Das wird von keinem Exegeten mehr bestritten. Die Feindschaft, die Jesus von seinen Gegnern erfahren musste, ist auch gerade wegen der Beteiligung von Frauen unter seinen Jüngern immer wieder verstärkt worden. Der Satz müsste richtig heißen: „Wegen des Beispiels Jesu ist die Kirche verpflichtet, Männer und Frauen zu allen Diensten zuzulassen.“

Sogar die vom Papst selbst eingesetzte „Päpstliche Bibelkommission“ ist schon 1976 zum Ergebnis gekommen, dass dem Neuen Testament kein Argument gegen eine Weihe von Frauen entnommen werden kann. Dies ist inzwischen Gemeinplatz in der Bibelauslegung. Jesus hat zwar „die Zwölf“ berufen, alles Männer, weil sie symbolisch die 12 Söhne Jakobs (= die 12 Stämme Israels) darstellen. In diesem Sinn sind sie zeitbedingt. Apostel jedoch hat es mehr gegeben, außer Paulus, der nie zu den 12 gehörte, auch mehrere Frauen.

Bekannteste Jüngerin Jesu ist Maria aus Magdala. Sie hat – als erste Zeugin für die Auferstehung Jesu und erste Verkünderin der Osterbotschaft – in der Gruppe um Jesus eine führende Rolle gespielt. Sie ist in allen vier Evangelien fest verankert und war unbestritten in Passion und Auferstehung Jesu die führende Figur. Von Anfang an war sie Jesus aus Galiläa gefolgt und hat nach Mk 15,40 „aus der Ferne“ geschaut, wo Jesus begraben wurde, damit sie ihn später salben konnte – zusammen mit anderen Frauen. Die männlichen Jünger waren alle in der Nacht zum Karfreitag nach Galiläa geflohen, waren somit als Zeugen für Tod und Auferstehung gar nicht zur Stelle. Maria von Magdala wurde von zahlreichen Kirchenvätern mit dem Ehrentitel apostola apostolorum (Apostolin der Apostel) versehen und bis ins hohe Mittelalter hoch verehrt.

Aus den Paulusbriefen lassen sich noch mehrere Frauen mit Namen nennen, die den Aposteltitel tragen, so vor allem explizit Junia, die im Römerbrief von Paulus so bezeichnet wird. Das Kriterium, dass ein Apostel Jesus persönlich begegnet sein muss und von ihm einen Verkündigungsauftrag erhalten hat, hat Paulus für seine eigene Person in jedem seiner Briefe betont, obwohl er nicht zu den „Zwölf“ gehörte (vgl. 1 Kor 15). Auch für Junia muss dies gelten und für Priska, die schon vor Paulus Christen waren. Allein in Röm 16 zählt Paulus neun Frauen auf, die vergleichbare Funktionen wie er selbst innehatten. Von „Amt“ kann in dieser frühen Zeit im 1. Jh. noch nicht gesprochen werden. Auch die alte Kirche hatte mehr als 12 Apostelfeste, die Ostkirche etwa doppelt so viele wie die Westkirche, u.a. gehört im Osten auch Thekla, eine Schülerin des Paulus, dazu.

Die Zurückdrängung von Frauen schon ab dem 2. Jh. hängt eng mit der patriarchalen Struktur des Römerreiches zusammen: Um nicht zu sehr aufzufallen – auch wegen der noch grassierenden Christenverfolgungen – wurden die öffentlichen Wirkungsmöglichkeiten für Frauen immer stärker beschnitten. Es waren somit rein opportunistische und zeitbedingte Gründe, die Frauen aus dem öffentlichen Wirken ausschlossen. Das ganze erste Jahrtausend war aber nicht einheitlich, in zahlreichen Teilkirchen erhielten sich Ämter für Frauen noch sehr viel länger.

Das wichtigste theologische Argument für eine Gleichwertigkeit von Frauen steht jedoch auf der ersten Seite der Bibel. Es geht um die Erschaffung von Mann und Frau als Bild Gottes (Gen 1,26-28). Diese Aussage ist im Laufe des Mittelalters immer mehr eingeschränkt worden: die Frau sei nur in geringerem Maße gottebenbildlich, erst in zweiter Linie oder gar nicht. Die Argumente dafür wurden bis ins 20. Jh. immer wieder leicht variiert. Bekanntlich hat Thomas von Aquin, Hoftheologe des Mittelalters, die schöpfungsmäßige Unterordnung der Frau unter den Mann und ihre Amtsunfähigkeit mit der mangelhaften Gottebenbildlichkeit begründet: Ein Geschöpf, das von der Schöpfungsordnung her zur Unterordnung geschaffen sei, könne nicht ein Amt ausüben, das per Definition zu Führungsaufgaben bestimmt sei.

Kein Exeget könnte es sich heute mehr leisten – will er sich denn nicht lächerliche machen -, aus Gen 1 eine verminderte Gottebenbildlichkeit der Frau abzuleiten.

Grund für diese Jahrhunderte langen Fehldeutungen ist die sträfliche Vernachlässigung der Bibel, vor allem des Alten Testaments. Dass die sorgfältig geprüften Ergebnisse der Exegeten auch gar nicht mehr wahrgenommen, geschweige denn umgesetzt werden, ist überall deutlich spürbar. Die Bibel ist und bleibt aber der Fels, auf dem die Kirche steht!

Fazit

1.  Das große Feld der Sexualität ist nicht auf die Tradition asketischer, frauen- und leibfeindlicher Traditionen von Kirchenvätern u.a. mit immer weiteren Vorschriften einzuengen. Vielmehr sollte hier das Alte Testament mit seiner lebens- und leibfreundlichen Aussagen wieder zum Zuge kommen. Sicher hat Sexualität auch dunkle und gefährliche Seiten, aber sie ist kein notwendiges Übel, das – leider – zur Fortpflanzung der Menschheit nicht abgeschafft werden kann, sondern eine Geschenk Gottes. Es gehört zur guten Schöpfung Gottes, wie Gen 1 und 2 überaus deutlich sagen. Wie der Sabbat für den Menschen da ist, und nicht der Mensch für den Sabbat (Mk 2,27), so ist die Sexualität für den Menschen da, und nicht der Mensch, um immer mehr rigide Vorschriften zu erfüllen und damit die Freude am Leben zu verlieren.

2. Eine gründliche, radikale (an die Wurzel gehende) Reform des mittelalterlichen Amtsverständnis ist dringend gefordert. Der immer mehr angehäufte Ballast, vermischt sogar mit magischen Elementen, ist auf dem Hintergrund der biblischen und modernen Erkenntnisse zu entschlacken. Damit würden Männer und Frauen profitieren, der Zölibat erledigte sich von selbst (dieser ist ja ein reines Kirchengesetz, das der Papst mit einem einzigen Federstrich aufheben könnte). Zugleich käme eine solche Reform auch der Ökumene zugute.

Papst Franziskus, der mit seinem Namen den großen Heiligen Franz von Assisi zum Vorbild nimmt, sollte bedenken, dass dieser sich bis ans Ende seines Lebens konstant und vehement jeglicher Weihe verweigert hat, weil spätestens seit dem 13. Jh. jedes Amt mit Macht verbunden war, was für ihn gegen sein Ideal der Armut sprach. Ob dem Papst die Quadratur des Kreises gelingt, das höchste Amt in der Kirche mit der Armut zu verbinden?