Basler Theologinen fordern in einem Brief, dass der Bischof mit Nachdruck eine grundlegende Revision des Kirchenrechts und eine kirchliche Verfassung in Rom einfordert.
Juri Junkov, bzBasel
«Es ist uns wirklich ernst», sagt Jacqueline Keune. «Eine Kirche, die Homosexuelle diskriminiert und der Frauen weniger wert sind als Männer, ist für uns nicht hinnehmbar.» Mit der Kirche meint Keune die römisch-katholische Kirche, mit «uns» sind die fünf Theologinnen und zwei Theologen gemeint, die ein gemeinsames Papier an Bischof Felix Gmür verfasst haben. «Wir haben es satt!», lautet der Titel.
Die Forderungen, zwanzig an der Zahl, sind deutlich. Die Verfasser wollen, dass der Bischof mit Nachdruck eine grundlegende Revision des Kirchenrechts und eine kirchliche Verfassung in Rom einfordert, dass jeder Missbrauch von kirchlich-beruflicher Macht oder Position zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse Konsequenzen hat und dass er keine Männer mehr zu Diakonen und Priestern weiht, bis der Zugang zu diesen Ämtern auch Frauen offensteht – und das sind nur einige Punkte, die im Schreiben aufgeführt sind.
«Es geht um unsere Kinder»
Die Vorgeschichte: Die Theologin Jacqueline Keune hat im Dezember vergangenen Jahres mit der Baslerin Monika Hungerbühler mit einem Text auf den Protestaustritt von sechs Frauen aus der römisch-katholischen Kirche reagiert. Er wurde von über 300 Menschen mitunterzeichnet. Die beiden Frauen haben daraufhin eine Einladung zum Gespräch mit Bischof Felix Gmür erhalten. Zum Termin im Juni können sie mit fünf Begleitpersonen erscheinen. Die Delegation wird neben ihnen aus Elke Kreiselmeyer, Marie-Theres Beeler, Angela Büchel Sladkovic, Nico Derksen sowie Felix Senn bestehen. Das Papier haben sie als Vorbereitung formuliert. Es kann bis zum Ostersonntag mitunterzeichnet werden.
«Es ist eine weit grössere Motivation, als dass ich als Frau etwas für mich selber erreichen will», sagt Elke Kreiselmeyer, Leiterin der katholischen Pfarrei St. Stephan Therwil/Biel-Benken. «Wir diskutieren schon seit Jahrzehnten über die Gleichberechtigung, früher ging es dabei um Frauen und Männer», sagt sie.
Bei eigenen Anliegen sei sie aber eher zurückhaltend. «Seit dem Missbrauchsskandal geht es aber um unsere Kinder. Und das in einem Ausmass, das ich nicht für möglich gehalten habe. Das ist ein Punkt, bei dem ich nicht mehr schweigen kann.» Es sei die Tabuisierung des Themas Sexualität in der Kirche, die solche Verbrechen ermögliche. «Das muss sich ändern», so Kreiselmeyer.
«Die Ambivalenz zwischen einer patriarchalen Struktur und dem eigentlichen Auftrag zehrt an den Kräften vieler kirchlicher Mitarbeitenden. Irgendwann ist die Geduld erschöpft», sagt die Theologin Marie-Theres Beeler aus Liestal. «Man muss auch einfach mal sagen: So darf es nicht weitergehen!». Die Kirche steht laut der Theologin für Menschenwürde, Gleichwertigkeit und Nächstenliebe. Damit, wie sie sich momentan als Institution darstelle, sei diese Botschaft jedoch nicht kompatibel. Das schade der Glaubwürdigkeit der Kirche.
Ähnlich sieht das Monika Hungerbühler, Theologin und Leiterin der offenen Kirche Elisabethen: «Ich will, dass die Kirche wieder aus dieser Glaubwürdigkeitskrise rauskommt.» Sie ist überzeugt, dass sie mit ihrer Einstellung in der katholischen Kirche nicht alleine ist: «Durch das Aufdecken von Skandalen und anderen Aktionen hat sich diese Meinung stark verbreitet.» Nun will Hungerbühler den Bischof mit ins Boot holen: «Die Zeit der Geschlechterdiskriminierung und der Ämterungerechtigkeit ist vorbei.»
Menschen, die dranbleiben
«Diese Themen sind uns wichtig, weil uns die Kirche wichtig ist», so Jacqueline Keune. «Es ist uns nicht egal, wie diese Kirche aussieht und wie sie sich entwickelt.» Doch so klar die Forderungen sind – kümmert sich die römisch-katholische Kirche um ein solches Papier? «Wir sind nicht naiv», räumt Keune ein. «Wir wissen, dass Bischof Gmür nach einem Gespräch nicht die weltkirchlichen Bedingungen verändern kann.» Aber es sei wie beim Frauenstimmrecht: «Es braucht Menschen, die dranbleiben. Und die Forderungen immer und immer und immer wieder stellen.»
Das Bistum wollte vor dem vereinbarten Gespräch keine Stellung beziehen.