Statements Medienkonferenz 7.6.2011
Die Bundesverfassung beinhaltet einen Gleichstellungsartikel, welcher unter anderem gleiche Rechte für Frauen und Männer vorschreibt. Es dauerte lange, doch unterdessen ist auf allen Ebenen das Stimm- und Wahlrecht für Frauen selbstverständlich. Frauen haben auch die Möglichkeit, sämtliche Berufe auszuüben, ebenso Männer. So können Frauen heute eine Militärkarriere machen, Männer den Beruf der Hebamme ausüben, das war vor Jahren noch unvorstellbar. Sie üben diese Berufe mit Erfolg aus. Das individuelle Engagement macht sie zu guten Berufsleuten – nicht das Geschlecht und nicht der Zivilstand.
Nicht nur bei der Geschlechtergleichstellung, auch in Bezug auf den Zivilstand hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt. So galt in vielen Kantonen ein Heiratsverbot für Lehrerinnen, in manchen bis in die 70er Jahre. Man befürchtete die Reduktion des Engagement für ihre Klasse. Heute ist diese Ansicht nicht mehr nachvollziehbar und ohne verheiratete Lehrerinnen wäre der Bildungsauftrag schon lange gefährdet.
Die Einführung des Frauenpriestertums und die Aufhebung des Zölibats ist überfällig. Die Gesellschaft hat sich entwickelt. Es ist nicht einzusehen, warum Frauen und verheiratete Männer innerkirchlich eine andere Stellung haben sollen als gesellschaftlich.
Frauen haben gelernt, sich für die Gleichstellung, sich für ihre Rechte einzusetzen. Ohne das Engagement der Bürgerinnen und Bürger würden wir wohl noch in Strukturen des Mittelalters leben. Die Kirche hat, trotz enormen Einsatz der Frauen, ihre Anliegen nicht aufgenommen. Patriarchale Kräfte verhindern nicht nur die Gleichstellung der Frauen, sondern auch die freie Wahl des Zivilstandes für Priester.
Damit wird verhindert, dass engagierte Menschen sich in den Dienst der Kirche begeben. Damit wird auch verhindert, dass eine gläubige Personen auswählen können, wer ihnen ein Sakrament spendet, z. B. wer sie trauen soll. Die Bevormundung mündiger Personen ist nicht mehr zeitgemäss und wiederspricht dem Geist des Evangeliums, welches bereits vor 2000 Jahren die einzelne Person ins Zentrum setzte und alle Menschen als mündige und selbstbestimmte Personen ernst nahm.
Mit dieser Initiative, einem demokratischen Instrument, kann die Gleichstellung in der Kirche nicht von heute auf morgen eingeführt werden. Die Gläubigen können sich jedoch dazu äussern – bei einer positiven Abstimmung muss sich die Synode für die Gleichstellung einsetzten. Das ist ein wichtiger Schritt in einem Prozess, einer Entwicklung. Wir Frauen wissen, Fortschritte brauchen viel Engagement und viel Zeit – doch es lohnt sich, sich für die eigene Überzeugung einzusetzen.
Der gleichberechtigte Zugang zum Priestertum – unabhängig von Zivilstand oder Geschlecht – hat für mich eine nicht zu unterschätzende gesellschaftspolitische Dimension.
Für viele Menschen in unserer urbanen Region sind die Kirchen mit ihren Pfarreien Teil des sozialen Netzes. In ihm fühlen sich viele Leute aufgehoben, die sich sonst nirgends aufgehoben fühlen. Die Kirchen sind für viele Menschen, die sich sonst nirgends zu Hause fühlen, wirklich „Gemeinde“ und Heimat. Pfarreien nehmen somit an besten Lagen in unserer Region eine Funktion wahr, die der Staat in dieser Nähe, Intensität und Intimität sonst nicht wahrnehmen kann.
Diese Pfarreien brauchen aber Seelsorger, die vor Ort sind, dort leben, in gleichen Lebensformen wie „normale“ Menschen. Die Unattraktivität, zölibatär so quasi in klösterlicher Einzelzelle zu leben, ist in urbanen Verhältnissen grösser als ländlichen Gegenden. Nicht zuletzt ist es deshalb schwierig, nebst den wenigen Priestern, die es gibt, diese noch in eine Stadtgemeinde zu locken.
Und wenn dann jemand tatsächlich mit seiner Familie das Pfarrhaus im wahrsten Sinne des Wortes belebt, dann darf er zwar alles tun, was ein geweihter Priester darf und kann, nur eben nicht die ultimative sakrale Handlung, die halt auch dazu gehört und deren Verbannung aus dem seelsorgerischen Amt bei Laientheologen jene für viele Leute als minderwertig erscheinen lassen.
Ich selbst erlebe diese Unmöglichkeit der Situation immer wieder in sog. Wortgottesdiensten, in denen mangels eines geweihten Priesters keine Eucharistie oder Wandlung stattfinden darf. Dies stört die Spiritualität jener zentralen Zusammenkunft der Gemeinde greifbar.
Beinahe gleich geht es mir aber auch in jenen Eucharistiefeiern, zu denen irgendein Priester in eine für ihn unbekannte Gemeinde eingeflogen werden muss, damit diese wieder einmal richtig Gottesdienst feiern kann.
Richtig ist dies nicht. Für mich scheint dieser Zustand im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass unsere Kirche viel an Glaubwürdigkeit und vielleicht auch Glaubenden zurückgewinnen kann, wenn sie Priester und Priesterinnen hat, die vor Ort in ihren Gemeinden jene Lebensform praktizieren dürfen, aus der heraus sie Kraft und Rückhalt für ihre wichtige und schwierige Aufgabe schöpfen können.
Ich will damit nicht sagen, dass zölibatär lebende Geistliche ihre Aufgabe nicht auch mit der gleichen Hingabe wahrnehmen können. Für mich erschütternd ist aber meine persönliche Erfahrung, dass fünf Seelsorger, die für mich in den verschiedenen Lebensphasen sehr wichtig waren, sich später laisieren liessen. Für mich kein Zufall. Der Letzte war übrigens Bischof Hansjörg Vogel.
Ausnahmsweise soll nicht unten beim Diakonat, sondern ganz oben begonnen werden. Als höchstes kirchliches, Männern vorbehaltenes Amt gilt das der Apostel bzw. ihrer Nachfolger.
Bereits im Neuen Testament (NT) finden sich mehrere Frauen, denen dieser Titel zugesprochen wird. Es sind u.a. Junia, Priska, allen voran aber Maria von Magdala. Es gibt keine andere Person, weder männlich noch weiblich, die so oft und so prominent in den Passions- und Ostererzählungen aller vier Evangelien verankert ist wie sie. Nicht nur ist Maria v. M. in den drei älteren Evangelien (Mk, Mt und Lk) diejenige, die als erste die Botschaft von der Auferstehung Jesu bezeugt, ihr wird auch als erster eine Erscheinung des Auferstandenen zuteil, und sie erhält den ersten Verkündigungsauftrag an die übrigen Jüngerinnen und Jünger. Während die drei älteren Evangelien auf die Frauen angewiesen sind, weil ja alle männlichen Jünger nach der Verhaftung Jesu geflohen sind, ist dies beim viel späteren Johannesevangelium nicht der Fall. Um das Jahr 100 treten bei Johannes sowohl Maria v. M. als auch Petrus auf, jedoch ist sie auch hier als Hauptfigur verankert. Als erster erscheint ihr der Auferstandene, den sie zunächst für einen Gärtner hält (Joh 20).
So wird ihr auch in der frühen Kirche der Titel apostola apostolorum (Apostolin der Apostel) verliehen, den sie bis weit ins Mittelalter hinein behält.
Einzig bei Paulus finden sich Kriterien für den Aposteltitel (1 Kor 15), den er leidenschaftlich für sich beansprucht: Ein Apostel muss Jesus persönlich begegnet sein und von ihm einen Verkündigungsauftrag erhalten haben. Dies hat er – wenn auch als Nachzügler – durch seine Bekehrung vor Damaskus vorzuweisen. Umso mehr gilt dies von Maria v. M., die von Beginn an Jesus aus Galiläa gefolgt, der der Auferstandene zuerst erschienen war und einen Verkündigungsauftrag erteilt hatte.
Nirgendwo im NT gibt es so viele Zeugnisse vom Wirken der Frauen wie in den Paulusbriefen. Es lässt sich nicht mehr bestreiten, dass die zahlreich genannten Frauen: Prophetinnen, Phoebe, Priska, Junia, Lydia, Nympha u.a. (Röm 16 zählt Paulus allein neun Frauen auf) die gleichen Funktionen ausgeübt haben wie Männer – ein festes “Amt“ gab es ja zunächst nicht. Frauen waren keine Nebenfiguren, sondern in der christlichen Mission und in der Leitung von Hauskirchen tätig.
Dass es bereits im 2. Jh. Auseinandersetzungen über sog. Leitungsfunktionen gab, bezeugen mehrere apokryphe Evangelien. Im Petrusevangelium wie im Evangelium der Maria von Magdala wurde explizit über den „Vorrang“ gestritten. Die Zurückdrängung von Frauen in den folgenden Jahrhunderten hängt eng mit den patriarchalen Strukturen des Römerreichs zusammen: Um nicht zu sehr aufzufallen – auch wegen der stets grassierenden Christenverfolgungen – wurden die Möglichkeiten für Frauen immer stärker beschnitten. Das ganze erste Jahrtausend war aber nicht einheitlich, in zahlreichen Teilkirchen erhielten sich Ämter von Frauen noch sehr viel länger.
Es wird höchste Zeit, dass die zahlreichen Untersuchungen und Ergebnisse feministischer Exegetinnen wahr-genommen werden!
Für eine glaubwürdige Kirche genügen kleine Reförmchen nicht mehr, es geht um radikale, auf die Wurzeln zurückgehende Veränderungen: Nur wenn der Männlichkeitswahn überwunden wird und die hierarchischen Strukturen einer geschwisterlichen Form weichen, könnte die liebenswürdige und menschenfreundliche Botschaft der Bibel wieder zum Zuge kommen.
Als röm.-kath. Theologin, die seit 1986 im kirchlichen Dienst steht, beschäftigt mich die Stellung der Frau in der Kirche in besonderem Mass. Inspiriert von biblischen Frauen wie z.B. Maria Magdalena, die von Hippolyt von Rom als „Apostola Apostolorium“ bezeichnet wurde, und grossen Kirchenlehrerinnen wie Hildegard von Bingen und Teresa von Avila, war es für mich ebenso wenig einsichtig, weshalb ich in den 60er Jahren nicht als Ministrantin wirken durfte, noch weshalb Frauen mit demselben Studium wie ihre männlichen Kollegen nicht zu Priesterinnen geweiht werden konnten. Irgend etwas mit dieser Kirche stimmte nicht. Ich blieb jedoch gern, arbeitete in verschiedenen kirchlichen Arbeitsfeldern (Jugend-/Spitalseelsorge/Pfarrei-/Frauenseelsorge u.a.), schärfte meinen Blick und formulierte immer wieder Anfragen und Kritik. Damit stellte ich mich in die befreiungstheologische Bewegung.
In der röm.-kath. Kirche wird seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) öffentliche Kritik laut am Ausschluss der Frau von allen Weiheämtern (Diakonat, Presbyterat, Episkopat).
In der anglikanischen und in der christkatholischen Kirche sind Frauen zu den Weiheämtern unterdessen zugelassen und wirken mit breiter Anerkennung als Priesterinnen und Bischöfinnen.
Es gibt zahlreiche kirchenamtliche Verlautbarungen wie 1976 „Inter insigniores“, 1988 „Mulieris Dignitatem“, 1994 „Ordination Sacerdotalis“, und 1995 „Responsum ad dubium“, die zu begründen versuchen, weshalb die Weihe gültig nur ein getaufter Mann empfangen kann. Tatsache ist jedoch auch, dass die päpstliche Bibelkommission, die vor der Erklärung „Zur Frage der Zulassung der Frauen zum Priesteramt (Inter Insignores 1976) konsultiert worden ist, kein Verbot weiblicher Priester aus der Bibel herauslesen konnte und dass der Heilsplan Christi durch die Zulassung der Frauenordination nicht verfälscht werde.
In einem Memorandum aus dem Jahr 1970, also 5 Jahre nach Konzilsende, hat das theologische Beratungsgremium der Deutschen Bischofskonferenz an diese eindringlich appelliert, die Frage des Pflichtzölibats auf den Prüfstand zu heben. Unterzeichnet haben 9 profilierte Personen, unter ihnen Karl Rahner, Walter Kasper und Joseph Ratzinger.
2002 wurden sieben Frauen, die auf einem Schiff zwischen Passau und Linz zu röm.-kath. Priesterinnen geweiht wurden, umgehend exkommuniziert und am 24.Juni 2006 wurde die erste Schweizerin – ein Baslerin – zu Priesterin geweiht. Dieses Ereignis wurde vom Ordinariat in Solothurn nicht kommentiert. Aus feministisch-theologischer Sicht muss die Diskussion um die Frage der Weihe – unabhängig von Geschlecht und Zivilstand – als eine von vielen Fragen weiter diskutiert werden. Denn es geht im Tiefsten um die Fragen: welches Gesicht hat die Kirche des 21. Jahrhunderts und u.a. welches Amts- und Hierarchieverständnis. Es geht um eine geschlechter-gerechte Kirche!
Priesterin zu werden war nie mein erstes Ziel. Trotzdem muss dieses Amt für Frauen und Männer, die nicht im Zölibat leben, offen sein. Die Diskussion muss weiter gehen.