Bischof Norbert Brunner zur Basler Initiative
Herr Brunner, zwei Basler Initiativen wollen die Kirchenbehörden verpflichten, den gleichberechtigten Zugang zum Priesteramt einzuführen. Was sagen Sie als oberster Bischof der Schweiz dazu?
Norbert Brunner *: Die staatskirchlichen Behörden haben ihre Kompetenzen in der Administration, in der Verwaltung und bei den Finanzen. Fragen des Glaubens und der Sitten gehören in die Zuständigkeit des kirchlichen Lehramts, also von Papst und Bischöfen. Die theologische Forschung und die verschiedenen Diözesanräte stehen ihnen in dieser Aufgabe bei.
Aber die Kirchenbehörden haben sich zu Fragen wie jene zum Priesteramt nicht einzumischen?
Nicht als Institution. Was nicht bedeutet, dass Mitglieder einer solchen Institution als Christen sich nicht zu solchen Fragen äussern dürfen. Sie sind eingeladen, ihre Meinungen in geeigneter Weise in die Kirche einzubringen. Man kann eine solche Gleichstellung nicht einfach in einer staatskirchlichen Verfassung festschreiben. Papst Johannes Paul II. hat erklärt, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden. Das ist zwar kein Dogma, es hat aber in der Kirche einen hohen Stellenwert.
Trotzdem wollen die Initianten das Priesteramt jetzt öffnen, auch für Homosexuelle.
Wenn man den Initiativtext extensiv interpretiert, heisst «unabhängig von Zivilstand und Geschlecht», dass tatsächlich alle Personen zum Priestertum zugelassen werden müssten. Jemand, der im Konkubinat oder in einer homosexuellen Beziehung lebt, wäre ebenfalls zur Priesterweihe zugelassen.
Sie haben sich persönlich bereits für eine Lockerung des Pflichtzölibats ausgesprochen . . .
Der Pflichtzölibat wird in der Kirche diskutiert, das ist richtig. Trotzdem: Die zölibatäre Lebensform des Priesters muss als eigentliche Form bestehen bleiben.
Daneben sollte es jedoch möglich sein, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen.
Gewisse Ausnahmen vom Pflichtzölibat können möglich sein.
Auch für Männer, die in homosexuellen Beziehungen leben?
Nach der Lehre der Kirche wird die Sexualität in ihrer idealen Form in einer dauerhaften Beziehung zwischen Mann und Frau gelebt, also in der Ehe. Alle anderen Formen der Sexualität entsprechen nicht diesem Ideal. Der Zölibat als Voraussetzung der Zulassung zum Priesteramt bedeutet den Verzicht auf jede Form der sexuellen Betätigung, sei dies in einer hetero- oder einer homosexuellen Beziehung.
Wie sehen Sie das Frauenpriestertum?
Es gibt für die Haltung der Kirche in dieser Frage theologische und geschichtliche Gründe. Jesus hat in sein Apostelkollegium nur Männer berufen, obwohl auch Frauen zu seinem engeren Jüngerkreis gehörten. Die Kirche hat dieses Zeichen Jesu so hoch bewertet, dass sie sich durch alle Jahrhunderte bis heute dieser Auswahl Jesu verpflichtet fühlte. So hat es tatsächlich – im Gegensatz zu verheirateten Männern als Priestern – nie «Priesterinnen» in unserer Kirche gegeben.
Diese Fragen sind endgültig entschieden?
An Pfingsten, das wir dieses Wochenende wieder feiern, hat Jesus seinen Aposteln den Heiligen Geist geschenkt. Ich glaube, dass der Heilige Geist unsere Kirche dahin führt, wohin Jesus sie führen will. Das erste Anliegen der Apostel war, gemäss dem Auftrag Christi seine frohe Botschaft zu verkünden. Das soll auch das erste Anliegen der Kirche – das heisst aller Getauften – heute sein.
* Bischof von Sitten und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz
Der Sonntag (PAS), 12.06.2011