Die Bischöfe müssten mehr auf das hören, „was die Christen uns sagen“, unterstrich der Basler Bischof Felix Gmür am 16. Oktober in seinem Redebeitrag an der Weltbischofssynode in Rom. Auch regte er an, die „evangelisierenden Laien“ mit einem offiziellen Auftrag der Kirche zu versehen. Felix Gmür ist der Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz an der Bischofssynode. – Die Presseagentur Kipa dokumentiert seinen italienischen Redebeitrag in einer Übersetzung mit Zwischentiteln der Redaktion.

Das Bemühen um die Neuevangelisierung setzt zuerst glaubwürdige „Evangelisatoren“ voraus. Wenn die Kirche nicht glaubwürdig ist, sind die Anstrengungen vergeblich. Sie wird nicht gehört, nicht ernst genommen, nicht akzeptiert werden. Deswegen spricht das Instrumentum laboris mit Recht von der Notwendigkeit, sich „durch Umkehr und beständige Erneuerung“ (Nr. 37) selbst zu evangelisieren.

Bischöfe selber zur Umkehr aufgerufen

Der Aufruf zur Umkehr richtet sich also zuerst an uns „Evangelisatoren“, an uns Bischöfe. Zugleich ist das Gesicht der Kirche, das die Mehrheit unserer Zeitgenossen sieht, jenes, wie es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Es ist nicht in erster Linie das persönliche Gesicht, sondern das Gesicht der Institution. Der Aufruf zur Umkehr betrifft also in derselben Weise die Institution. Die Umkehr der Person findet ihre Entsprechung in der Reform der Institution. Umkehr und Reform: beide zielen auf die geistliche Erneuerung, die auf dem Glauben gründet.

Besorgniserregendes Zeichen

Ob wir wollen oder nicht, als Kirche sind wir in die Kultur unserer Zeit eingebettet und nicht in eine Kultur, die wir lieber hätten oder von der wir träumen. Heute müssen wir, zumindest in der Schweiz, feststellen, dass die Kirche zu einem grossen Teil im kulturellen Leben abwesend ist, sei es in den Künsten oder in der Wissenschaft, sei es vor allem in der Gestaltung der unterschiedlichsten Bereiche des täglichen Lebens unserer Zeitgenossen.

Einige haben den Eindruck, dass wir Hirten uns den Herausforderungen der Gegenwart nicht stellen, sondern dass wir es vorziehen, uns für anderes zu interessieren. Diese Feststellung ist ein sehr besorgniserregendes Zeichen und muss uns beschäftigen.

Mehr hören und mit Wohlwollen unterscheiden

Viele Gläubige legen aufrichtig und mit Demut Zeugnis ab von ihrem tiefen Glauben. Sie lassen das menschliche und persönliche Gesicht Jesu sehen und ermöglichen es dem Evangelium, in die unterschiedlichsten Milieus einzudringen.

Wie können wir Bischöfe das evangelisierende Wirken dieser Laien würdigen? Wie können wir ihre Fähigkeiten und Kompetenzen anerkennen? Respektieren wir die Verantwortung und die eigene Würde der christlichen Laien, die durch das Sakrament der Taufe, der Firmung und der Eucharistie in das Geheimnis Christi eingeführt sind?

Nehmen wir ihre Erfahrungen, ihre Fragen und Vorschläge ernst, zum Beispiel im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen? Und wenn ein Christ einen Vorschlag macht oder eine Kritik anbringt, hören wir ihn aufrichtig an?

In diesem Zusammenhang richtet die Mönchsregel des heiligen Benedikt eine weise Ermahnung an den Abt: „Der Abt überlege klug, ob ihn der Herr nicht vielleicht gerade deswegen geschickt hat” (RB 61,4). Es scheint mir, dass wir mehr hören und mit Wohlwollen unterscheiden müssen, was die Christen uns sagen.

Kirchliche Beauftragung für Laien neu überdenken

Eine zweite Herausforderung besteht darin, im Licht der Umkehr, die Jesus fordert, auch notwendige Reformen zu verstehen. Wir müssen vermeiden, uns um uns selbst und unsere Strukturen zu drehen. Diese Versuchung reicht bis in die Zeit der Jünger zurück. In der Tat fragt Jesus seine Jünger: „Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?“ (Mk 9,33).

Nicht wir sind das Zentrum der Evangelisierung. Es ist notwendig, den Gott Jesu Christi ins Zentrum zu stellen. Zugleich müssen die Strukturen dazu beitragen, dass der Gott Jesu Christi im Zentrum ist. Gemeinden, die ohne Priester sind, sammeln sich oft um Laien, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

In unserer schweizerischen Situation wäre es wichtig, neu zu überdenken, ob gebührend ausgebildete und vorbereitete Männer und Frauen nicht eine kirchliche Beauftragung erhalten könnten, die ihnen eine Sendung gibt und Wertschätzung ihres pastoralen Wirkens ist, das sie aufgrund ihrer Würde als Getaufte wahrnehmen.

Besser hören und ein offizieller Auftrag für die evangelisierenden Laien: Das sind zwei konkrete Zeichen, die uns als Kirche glaubwürdiger machen könnten.

Hinweis: Der Originalbeitrag unter: www.ivescovi.ch/documenti/messaggi/node_10154

Rom/Zürich, 20.10.12  (kipa/Aus dem Italienischen von mw und emf/job)