Die Basler Rechtsprofessorin Denise Buser hofft, dass die Kirche bei der Einführung des Frauenpriestertums umzudenken beginnt – dank Initiativen und Gerichtsfällen. 

Voraussichtlich im September stimmen die katholischen Stimmberechtigten von Basel-Stadt und Basel-Landschaft über zwei kirchliche Gleichstellungsinitiativen ab. Was bezweckt man damit?
Es geht um den Verfassungszusatz, den kirchlichen Behörden das Anliegen zu unterbreiten, dass die katholische Kirche die gleichberechtigte Zulassung zum Priesteramt ermöglicht – also unabhängig von Zivilstand und Geschlecht. Wichtig ist, dass dieses Zeichen auch von anderen Kantonen aufgegriffen wird und sich eine Art Dominoeffekt ergibt.

Was kann die Abstimmung auslösen?
Ein Ja würde sicher ein starkes Zeichen sein, zumal der Bischof von Basel, Felix Gmür, zur Abstimmungsvorlage steht und damit zum Ausdruck bringt, dass sich in der Frage des Zugangs von Frauen zum Priesteramt und beim Zölibat etwas ändern muss. Ideal wäre, wenn es auch zu einem Gerichtsfall käme, bei dem das Grundrecht der Gleichstellung mit der Religionsfreiheit kollidiert.

Kann sich denn der Staat oder ein Gericht in eine Grundrechtskollision einmischen?
Es braucht einen Fall mit staatlichem Anknüpfungspunkt: Wenn zum Beispiel eine Pastoralassistentin klagen würde, weil sie trotz gleichem Aufgabenbereich weniger Lohn erhält als der Pfarrer. Der Ausschluss der Frau vom Priesteramt ist ja keine Glaubensfrage. Zwar sind die Weihevoraussetzungen innerkirchlich geregelt. Sie strahlen aber auf das besoldete Amt im irdischen Bereich aus. Es kann durchaus sein, dass ein Gericht in einem konkreten Anwendungsfall die Geschlechterdiskriminierung höher gewichtet als die Religionsfreiheit.

Spielt es eine Rolle, dass die Kirche öffentlich-rechtlich anerkannt ist?
Mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung wird die Grundrechtsbindung umso stärker. Aber auch privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften müssen sich grundsätzlich an das staatliche Recht halten, dürfen zum Beispiel nicht die Vielehe zulassen.

Beim Ausschluss der Frau vom Priesteramt wurde von den Gerichten bisher stets mit der Religionsfreiheit argumentiert: Jede Religion sei frei, sich nach ihren Vorstellungen zu organisieren. Warum blieb das unhinterfragt?
Es gibt verschiedene Gründe: Die Geschichte der Grund- und Menschenrechte ist noch nicht so alt. Und das Gleichstellungsrecht ist jünger als die Religionsfreiheit. Zudem beruft sich die Kirche mit ihrem Männerpriestertum auf eine lange Tradition. Auch das weltliche Gerichtswesen ist noch immer männlich dominiert. Bisher gab es dringendere Aufgaben als die Gleichstellung im religiösen Bereich. Im Gesetz mussten zunächst die Gleichstellung im Arbeitsbereich oder beim Ehe- und Scheidungsrecht verwirklicht werden.

Sie zeigen in Ihrer Studie, dass das Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsprinzip höher gewichtet werden muss als das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Weshalb?
Es gilt, das Bewusstsein zu schärfen, dass die Frauenfrage im katholischen Bereich keine Glaubensfrage sei, die etwa wie die Trinität in den Bereich der Religionsfreiheit gehöre. Es geht vielmehr um die Kollision zweier gleichrangiger Grundrechte, zwischen Gleichstellung und Religionsfreiheit. Bei einer solchen Kollision erfolgt im juristischen Bereich eine Güterabwägung. Ich habe deshalb in meiner Studie alle Argumente für das Frauenpriestertum gegen die Argumente der Amtskirche abgewogen.

Kann die Kirche den Ausschluss der Frau stichhaltig begründen?
Auf ein wirklich einleuchtendes Argument gegen die Frauenordination kann sich die Kirche nicht berufen. Sie kann nur die 2000-jährige Tradition ins Feld führen und die entsprechende Bestimmung im Kirchenrecht. Das führt dann zum abwegigen Ergebnis, die Gleichstellung der Frau sei nicht gottgewollt.

Und die Argumente für die Frauenordination?
Die theologische Fachliteratur weist nach, dass die Unsichtbarkeit der Frau im christlichen Bereich nicht gottgewollt sei, sondern eine Folge patriarchaler Zeitumstände. Zudem findet im Geschlechterdiskurs ein Paradigmenwechsel statt: Anders als früher liegt in Bezug auf das ausschliessliche Männerpriestertum kein Konsens mehr vor. Eine grosse Zahl von Gläubigen wünscht heute einen Wechsel hin auch zum Frauenpriestertum. Davon abgesehen, bewirkt ja das Festhalten an der Tradition des Männerpriestertums wegen des zunehmenden Priestermangels ein Aussterben der Sakramententradition.

Denise Buser ist Titularprofessorin für kantonales öffentliches Recht an der Universität Basel. Sie ist Mitglied im Initiativkomitee der kirchlichen Gleichstellungsinitiative Basel-Stadt.

Die unheilige Diskriminierung – eine juristische Auslegeordnung für die Interessenabwägung zwischen Geschlechtergleichstellung und Religionsfreiheit beim Zugang zu religiösen Leitungsämtern. LIT-Verlag, Münster 2014. S. 101. 29.90 Fr. 

(Tages-Anzeiger)