Plenarversammlung der RKZ vom 24./25. Juni 2011 in Appenzell
Bemerkungen der Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht der RKZ zur «Kirchlichen Gleichstellungsinitiative» in den Kantonen Basel-Stadt und Basellandschaft
Ausgangslage
Am 7. Juni 2011 haben zwei Initiativkomitees anlässlich eines Médienapéros eine gleichlautende Initiative zur Änderung der jeweiligen kantonalkirchlichen Verfassung für Basel-Stadt und Basel-Landschaft vorgestellt und die Unterschriftensammlung eröffnet. Überschrieben ist der Unterschriftenbogen mit «Initiative zur Förderung der gleichberechtigten Zulassung zum Priesteramt (Kirchliche Gleichstellungsinitiative)». Die zentralen Sätze im begleitenden Dokument (vgl. www.aufbruch.ch/gleichstellung) lauten: «Diese Initiative soll die Behörden der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt und der Römisch-Katholischen Landeskirche Basel-Landschaft (d.h. Synoden und Kirchenräte) verpflichten, darauf hinzuwirken, dass die Römisch-Katholische Kirche die gleichberechtigte Zulassung – unabhängig von Zivilstand und Geschlecht – zum Priesteramt ermöglicht. Das heisst: Abschaffung des Pflichtzölibats und Zulassung der Frauen zum Priesteramt. Wir hoffen, dass weitere Kantonalkirchen den Weg einer kirchlichen Verfassungsinitiative beschreiten.»
Antwort der Initiativ-komitees an die RKZ: „Wir nehmen Ihre Bemerkungen zur Kenntnis und möchten darauf hinweisen, dass wir mit unserer Initiative ein Recht wahrnehmen und die angelaufene Unterschriftensammlung weiterführen werden.“ |
Laut entsprechenden Medienberichten schliesst die gleichberechtigte Zulassung «jede Lebensform» ein, also etwa auch gleichgeschlechtliche Paare oder gemäss staatlichem Recht wiederverheiratete Geschiedene.
Ob die benötigten Unterschriften zusammenkommen und wie die zuständigen staatskirchenrechtlichen Behörden die Initiative beurteilen und allenfalls umsetzen werden, ist derzeit noch völlig offen.
Diskussion in der Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht der RKZ
Da das Initiativvorhaben brisant ist, von den Medien aufgenommen wurde und zu ähnlichen Vorhaben in anderen Kantonen führen könnte, hat die zuständige Kommission der RKZ die Thematik anlässlich ihrer Sitzung vom 15. Juni 2011 behandelt. Das Sitzungsprotokoll hält folgende Bemerkungen fest:
- Die Möglichkeit der Zulassung von verheirateten Männern und von Frauen zum Priesteramt wird von vielen Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche seit langer Zeit gewünscht. Auch aus theologischer Sicht werden für diese Änderung der Zulassungsbedingungen zum Amt gewichtige Argumente vorgebracht. Und manche Bischöfe haben den Wunsch geäussert, dass damit zusammenhängende Fragen von der Kirche erneut diskutiert und geprüft werden. Zugleich steht fest, dass die Zuständigkeit in diesen Belangen beim Papst und bei den Bischöfen liegt – und nicht bei den staatskirchenrechtlichen Behörden.
- Die Kommission hat ein Positionspapier zu «Äusserungen und Interventionen staatskirchenrechtlicher Gremien zu pastoralen Fragen» erarbeitet. Dieses wird von der RKZ anlässlich der Plenarversammlung vom 24./25. Juni 2011 in erster Lesung beraten. Es betont mit Berufung auf die Bundesverfassung (Art. 16 Abs. 2) und das Zweite Vatikanische Konzil (GS Nr. 62), das Recht aller Gläubigen «zur Meinungsäusserung in allen Bereichen ihrer Zuständigkeit». Zugleich werden im vorgeschlagenen Positionspapier die Bedeutung des Dialogs, des respektvollen Umgangs mit anderen Auffassungen und insbesondere das Erfordernis betont, bei der Wahl des Vorgehens und der Form die Grenzen der eigenen Zuständigkeit zu beachten.
- Wird in einer kantonalkirchlichen Organisation die «Verpflichtung» verankert, auf entsprechende Reformen hinzuwirken, handelt es sich dabei nicht nur um eine «Meinungsäusserung», sondern um einen institutionellen Eingriff in den Zuständigkeitsbereich der kirchlichen Autoritäten. Die Umsetzung des Vorstosses hätte zur Folge, dass die staatskirchenrechtlichen Organe als imperativ Fordernde anstatt als Gesprächspartner der entscheidenden kirchlichen Instanzen auftreten. Wie ein solcher Eingriff aus staatsrechtlicher bzw. grundrechtlicher Sicht zu beurteilen ist, sei hier offen gelassen. Unabhängig davon könnte die geforderte Verfassungsbestimmung das Verhältnis zwischen den staatskirchenrechtlichen und den kirchlichen Autoritäten belasten, weil sie als Einmischung in den Zuständigkeitsbereich des kirchlichen Amtes aufgefasst werden kann. Damit wird das «Einvernehmen» beeinträchtigt und gegenüber den Kirchenmitgliedern und Aussenstehenden könnte der Eindruck entstehen, die staatskirchenrechtliche Organisation bilde ein Gegenüber zur Kirche und stehe nicht in deren Dienst. Nicht zuletzt im Hinblick auf die von der Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht intensiv bearbeiteten Fragen rund um den «partiellen Kirchenaustritt», insbesondere die ausdrückliche Anerkennung der Verknüpfung der Zugehörigkeiten auch seitens der Kirche, ist schon ein solcher Eindruck nachteilig.
- Der Vorstoss erfolgt in einer Zeit, in der intensive Bestrebungen im Gange sind, das Verhältnis zwischen den kirchlichen und den staatskirchenrechtlichen Strukturen ekklesiologisch und kirchenrechtlich zu klären und deren Zusammenwirken zu verbessern. In dieser sensiblen Phase erachtet es die Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht der RKZ als klug, sich primär auf den eigenen Zuständigkeitsbereich zu beschränken. Die im Initiativtext angesprochenen Fragen müssen von der Kirche selbst geklärt werden, und es ist unübersehbar, dass diese Klärung weder auf lokaler noch auf schweizerischer sondern auf weltkirchlicher Ebene zu erfolgen hat. Es besteht daher das grosse Risiko, dass der Vorstoss in der angestrebten Sache nicht die von den Initianten und Initiantinnen gewünschte Wirkung hat, aber der Infragestellung der staatskirchenrechtlichen Strukturen neue Nahrung verleiht.
- Die Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht bittet sowohl die beiden Initiativkomitees als auch die zuständigen staatskirchenrechtlichen Behörden, diese Überlegungen beim weiteren Vorgehen zu berücksichtigen. Sie hofft, damit einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Mitglieder staatskirchenrechtlicher Gremien ihre das kirchliche Leben und Kirchenreformen betreffenden Anliegen so einbringen, dass sie den notwendigen Dialog um die künftige Gestalt der Kirche und des kirchlichen Amtes bereichern.
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Der Kommission für Staatskirchenrecht und Religionsrecht der RKZ gehören folgende Persönlichkeiten an: Hans Wüst, Präsident des Administrationsrates SG (Vorsitz); Kristin Gubler-Borer, Mitglied des Landeskirchenrates BL (Mitglied); Dr. Benno Schnüriger, Präsident des Zürcher Synodalrates (Mitglied); Dr. Philippe Gardaz, Lausanne (Experte); Dr. Giusep Nay, Valbella (Experte); Dr. Erwin Tanner, Vertreter der SBK; Dr. Daniel Kosch, Generalsekretär der RKZ (Protokoll). Leider war Dr. Erwin Tanner an der Sitzungsteilnahme verhindert.
Zürich, den 21. Juni 2011
Daniel Kosch