Abt Martin Werlen möchte mehr Demokratie in der Kirche – und könnte sich Frauen als Kardinäle vorstellen. Das sorgt für Kontroversen.

Seit gestern ist im Kloster Einsiedeln die Broschüre «Miteinander die Glut unter der Asche entdecken» erhältlich. Verfasst hat sie der dortige Abt Martin Werlen – und was er schreibt, birgt in Kirchenkreisen einigen Zündstoff: Werlen nämlich ist der Ansicht, die katholische Kirche müsse das Feuer in der Bevölkerung wieder entfachen, und gibt dabei Denkanstösse, wie dies geschehen könnte. Zwei Punkte sind dabei besonders brisant: Zum einen möchte Werlen, dass die Bevölkerung bei Bischofswahlen künftig Mitsprachemöglichkeit hat. Zum anderen schlägt der Abt bei den Kardinälen, dem Beratergremium des Papstes, Revolutionäres vor: «Menschen aus der ganzen Welt, Frauen und Männer, Junge und weniger Junge, könnten in dieses Gremium berufen werden» – Werlen könnte sich im Gegensatz zum Vatikan also auch Frauen als Kardinäle vorstellen.

Irritation im Bistum Chur
Angesprochen auf solche Reformen, reagiert man in Kirchenkreisen nicht erfreut. «Wir sind erstaunt über die Ausführungen des Abtes von Einsiedeln», erklärt etwa Giuseppe Gracia, Sprecher des Bistums Chur, auf Anfrage. Die Zuständigkeit für die Regelung der Bischofswahl falle in die Kompetenz des Apostolischen Stuhls, also des Vatikans. Daran will das Bistum nicht rütteln.

Nichtsdestotrotz glaubt Abt Werlen, dass eine Diskussion innerhalb der Kirche nötig ist. Angesichts der leeren Gotteshäuser und der steigenden Zahl von Kirchenaustritten sagt Werlen: «Die Situation der Kirche ist dramatisch – nicht nur in den deutschsprachigen Ländern.» Und er hält auch mit kritischen Tönen nicht zurück: «Die Probleme sind bekannt. Aber es geschieht wenig in Richtung Problemlösung.»