Martin Werlen, der Abt des Klosters Einsiedeln, rüttelt an konservativen Tabus wie dem Zölibat, der Frauenfrage und dem Umgang mit Geschiedenen. Wohl noch nie in der neueren Kirchengeschichte hat sich ein offizieller Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz so kritisch und offen geäussert. Werlen schreibt in einer Klosterbroschüre, die Situation der katholischen Kirche sei «dramatisch», diese habe «sehr viel an Glaubwürdigkeit eingebüsst». Wörtlich: «Wenn zum Beispiel kirchliche Amtsträger heute noch in der Öffentlichkeit sagen, dass die meisten sexuellen Übergriffe nicht in der Kirche geschehen, sondern in Familien, verraten sie damit neben einer unverantwortlichen defensiven Haltung auch theologische Inkompetenz.»
BEIM ZÖLIBAT RUFT WERLEN dazu auf, neue Wege zu gehen. «Die zölibatäre Lebensform ist ein möglicher Weg der Nachfolge Jesu Christi, genauso wie die eheliche Lebensform», schreibt der Abt. Die Frauen könnte er sich als Kardinäle vorstellen: «Zum Beispiel könnten für fünf Jahre Menschen aus der ganzen Welt, Frauen und Männer, Junge und weniger Junge in dieses Gremium berufen werden.»
Patrik Müller
» alle drei Texte zum Thema im „Sonntag“ vom 11.11.2012 (PDF)