Die römisch-katholische Kirche steckt in einem akuten Reformstau. Die katholische Hierarchie (Bischöfe, Priester) ist kaum mehr in der Lage, ihre strukturellen Probleme wie Priestermangel, Priesterausbildung und schwindenden Gottesdienstbesuch selbst zu lösen. Darunter leiden vor allem die Gläubigen, die in der Kirche Halt, Heimat und Orientierung suchen. Damit sich die Kirche wieder bewegt, braucht es den Druck von unten. Bisher hat sich die katholische Priesterschaft durch Handauflegung selbst kooptiert (sich selbst ergänzt). Ob allerdings dieses streng hierarchische Auswahlprinzip in unsere schweizerische Demokratie passt, ist hier nicht zu beurteilen. Jedenfalls weisen Priesterausbildung und -auswahl schwerwiegende Mängel auf. Immer öfter werden Kandidaten ausgewählt, die in dieses System (mit eher autoritärer und zentralistischer Tendenz) passen, in dem Frauen als fromme Dienerinnen – in untergeordneten Positionen – zwar geduldet, nicht aber als gleichberechtigte Partnerinnen anerkannt werden.

Eine Lösung dieses Problems läge darin, dass die Kleriker (also die geweihten Priester, die Diakone und die Bischöfe) nicht mehr über das Priesterauswahlmonopol verfügten. Die Auswahl der Priester müsste vielmehr auf eine breitere Basis gestellt werden, mithin paritätischen Gremien übertragen werden, in denen durch das Kirchenvolk gewählte Laien einerseits und durch Hierarchie bestimmte Priester anderseits zu gleichen Teilen vertreten sind.

In den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils wird die Kirche als das «Volk Gottes» bezeichnet. Die römischkatholische Kirche braucht folglich eine synodale Struktur, eine Struktur, in der die Laien und der Klerus gleichberechtigt mitbestimmen und ihren Ortsbischof wählen können, so, wie es die Christkatholiken seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert erfolgreich tun. Auf diese Weise würden sich das Zölibatsproblem sowie die Frage des Frauenpriestertums in einem pragmatischen Prozess ganz von selbst lösen.

Quirin Weber, Muri (AG), Jurist und Theologe
Basler Zeitung, 18.06.2011