Basel. Auch heute noch ist die Gleichstellung in der römisch-katholischen Kirche strukturell unmöglich. Doch das soll sich ändern. In Basel-Stadt und Baselland sind gestern gleichlautende Volksinitiativen eingereicht worden, mit denen das Priesteramt für Frauen und die Abschaffung des Pflichtzölibats gefordert werden.
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Die beiden Initiativkomitees sind sich allerdings im Klaren darüber, dass es kaum gelingen wird, mit den zwei Gleichstellungsinitiativen auf der Ebene der Kantonalkirche in der katholischen Weltkirche von heute auf morgen eine Reform zu bewirken und jahrhundertealte innerkirchliche Rechtssätze über Bord zu werfen. So war denn auch von «einem ersten wichtigen Schritt in einem langen Prozess» die Rede.
Ein Signal für den neuen Bischof
Selbst wenn das Kirchenvolk die Initiativen dereinst annehmen sollte, wird in den beiden Basel nicht automatisch der Pflichtzölibat abgeschafft oder das Frauenpriestertum eingeführt. Die beiden Volksbegehren verpflichten lediglich die Behörden der beiden Landeskirchen, «darauf hinzuwirken, dass die römisch-katholische Kirche die gleichberechtigte Zulassung – unabhängig von Zivilstand und Geschlecht – zum Priesteramt ermöglicht».
Mit den beiden Initiativen soll die 1995 vom damaligen Papst Johannes Paul II. unterbundene Diskussion über das Thema Frau und Priestertum «neu angekurbelt werden». Auch wollen die Initianten an die Adresse des neuen Bischofs von Basel ein Signal aussenden. Denn der Ausschluss der Frauen vom Priestertum stehe dem Neuen Testament «diametral entgegen». Reförmchen in der katholischen Kirche genügten nicht mehr. «Nur wenn der Männlichkeitswahn überwunden wird und die hierarchischen Strukturen einer geschwisterlichen Form weichen, könnte die liebenswürdige und menschenfreundliche Botschaft der Bibel wieder zum Zuge kommen», so die Initianten.
Daniel Ballmer und Thomas Gubler
Basler Katholiken wollen ihre Kirche ändern
Im Sommer 2010, als die Schlagzeilen über die zahlreichen Fälle sexuellen Missbrauchs auf die katholische Kirche niederprasselten, ist die Idee für zwei gleichlautende Volksinitiativen in Basel-Stadt und Baselland entstanden. An Pfingsten 2011 lancierten zwei Komitees die Volksbegehren. Und gestern wurden die Unterschriften der Synodenpräsidentin der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt, Sylvia Debrunner, und ihrem Kollegen von der Römisch-katholischen Landeskirche Basel-Landschaft, Christoph Gysin, in der Offenen Kirche Elisabethen Basel überreicht. 1005 kamen in der Stadt, 1925 in der Landschaft zusammen. Die Quoren von 700 (BS) und 1000 (BL) für eine Volksinitiative zur Revision der jeweiligen Kirchenverfassung wurden damit deutlich übertroffen.
Die Ziele der Initiantinnen und Initianten sind hoch gesteckt: Abschaffung des Pflichtzölibats für katholische Priester und Zulassung von Frauen zum Priesteramt. Dabei sind sich die beiden Komitees aber im Klaren, dass es kaum gelingen wird, mit zwei Initiativen auf der Ebene Kantonalkirche den Reformstau in der katholischen Weltkirche von heute auf morgen zu beseitigen und jahrhundertealte innerkirchliche Rechtssätze über Bord zu werfen.
Auch Schneeflocken sind sanft
Auch wenn das Kirchenvolk die Initiativen dereinst annimmt, wird nicht in den beiden Basel automatisch der Pflichtzölibat abgeschafft beziehungsweise das Frauenpriestertum eingeführt. Die beiden Volksbegehren verpflichten lediglich die Behörden der beiden Landeskirchen – die Synoden und die beiden Kirchenräte – «darauf hinzuwirken, dass die römisch-katholische Kirche die gleichberechtigte Zulassung – unabhängig von Zivilstand und Geschlecht – zum Priesteramt ermöglicht». Es handelt sich also – analog zum Anti-AKW-Artikel in der Baselbieter Kantonsverfassung – um einen Auftrag.
Monika Hungerbühler, die katholische Leiterin der Offenen Kirche Elisabethen und Mitglied des Initiativkomitees Basel-Stadt, wehrte sich jedoch gestern bei der Einreichung der Unterschriften gegen den Vorwurf, die Initiative sei zu sanft. Auch Schneeflocken seien sanft und könnten in Mengen viel bewirken, sagte die Theologin.
Die Komitees, denen neben fortschrittlich gesinnten Kirchenleuten auch namhafte Juristinnen und Juristen wie Denise Buser, Felix Hafner und Anne Peters angehören, dürften bewusst diese Form gewählt haben. Gerade weil die Initianten genau wissen, dass die angestrebten Änderungen nicht in ihren Kompetenzbereich fallen, sondern der Entscheid darüber letztlich in Rom fällt. Einen unmöglichen oder rechtswidrigen Inhalt der Initiativen galt es zu vermeiden, um nicht deren Ungültigkeit zu riskieren. Mit einem Behördenauftrag dürfte dieses Risiko abgewendet sein.
Die Komitees wollten auch keine neue Kirchenspaltung provozieren, sagte die emeritierte Theologieprofessorin Helen Schüngel Straumann, «sondern dazu beitragen, dass in unserer Kirche das menschliche Gesicht Gottes stärker sichtbar wird». Schüngel wies darauf hin, dass keiner so gegen die Minderbewertung der Frauen gehandelt habe wie Jesus Christus selbst, der erwiesenermassen auch Jüngerinnen und Apostelinnen berufen habe.
Eine Lawine auslösen
In einer würdigen Feier mit der Ballettimprovisation einer jungen Tänzerin und eines jungen Tänzers der Abschlussklasse der Basler Ballettschule wurden schliesslich die Unterschriften den beiden Synodenpräsidien übergeben, die persönlich für die Anliegen der Initianten Verständnis und Sympathie äusserten. Christoph Gysin zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, «dass sich da und dort etwas bewegen wird». Dafür wollen die Initiantinnen und Initianten auch nach Einreichung der Unterschriften sorgen. Am ersten Donnerstag jedes Monats soll um 18 Uhr in der Kapelle des Katholischen Studentenhauses an der Basler Herbergsgasse eine Andacht für die Initiativen abgehalten werden. «Ich hoffe, dass wir eine Lawine auslösen », sagte Monika Hungerbühler.
Thomas Gubler
Kommentar
Ein realistischer erster Schritt
Von Thomas Gubler
Gerade als Heisssporne kann man die Väter und Mütter der kirchlichen Gleichstellungsinitiativen nicht bezeichnen. Dafür sind ihre Volksbegehren zu pragmatisch. Man backt kleine Brötchen und geht behutsam vor in der Hoffnung darauf, dass der einmal eingeschlagene Pflock so viel Symbolwirkung hat, dass er zur Kenntnis genommen werden muss. Das ist wahrhaftig nicht besonders viel. Aber realistischerweise liegt nicht mehr drin. Es wäre illusorisch zu glauben, dass das katholische Kirchenvolk von Basel-Stadt und Baselland in der Lage wäre, mit einem mutigen Schritt für sich den Pflichtzölibat abzuschaffen und den Frauen das Priestergewand überzustreifen. Eine solche Initiative wäre im besten Fall Augenwischerei, wahrscheinlich aber schlicht ungültig und damit wirkungslos. Auch wenn die geforderten Reformen in der katholischen Kirche überfällig sind, so bleiben sie dennoch Rom vorbehalten. Viel mehr als Zaungäste sind die Schweizer Kantonal- und Landeskirchen mangels Kompetenz nicht. So gesehen ist die von den Initiantinnen und Initianten gewählte Taktik mit dem Auftrag an die kirchlichen Behörden, sich in ihrem Wirkungsbereich für die Reformen starkzumachen, zwar unspektakulär, dafür aber realistisch. Und die Erfahrungen mit dem Atomartikel in der Baselbieter Verfassung zeigen, dass dieser Weg nicht einfach wirkungslos ist. Steter Tropfen könnte den Stein höhlen, auch wenn dazu viel Geduld nötig sein wird. Denn dass sich Rom bewegen muss, ist offensichtlich. Sonst gehen den Katholiken zumindest in unseren Breitengraden die Priester aus.
thomas.gubler@baz.ch
«Es handelt sich um eine Frage der Gerechtigkeit»
Selbst Xaver Pfister als Vertreter der Römisch-Katholischen Kirche unterstützt persönlich die Anliegen der Gleichstellungsinitiativen.
Xaver Pfister ist Informationsbeauftragter der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt. Mit der Haltung des Vatikans aber ist er nicht immer einverstanden. So befürwortet er auch die Initiativen für einen gleichberechtigten Zugang zum Priesteramt. Keine Überraschung, ist Pfister mit seinen Meinungen bei konservativen Gläubigen durchaus schon angeeckt.
BaZ: Herr Pfister, realistisch gesehen haben die Forderungen der Initianten doch eigentlich keine Chance. Warum also die ganze Mühe?
Xaver Pfister: Wenn man sich in den europäischen Ländern umschaut, dann erkennt man, dass der gleichberechtigte Zugang zum Priesteramt ein weitverbreitetes Anliegen ist. Nun geht es darum, ob auch die Synoden in Basel-Stadt und Baselland dieses Anliegen unterstützen – am besten gleich in der Verfassung. Zuletzt aber liegt der Entscheid natürlich bei der Weltkirche.
2000 Jahre lang hat der Status quo für die Katholische Kirche funktioniert. Kann er da so schlecht sein?
Dieses Argument kann man natürlich vorbringen. Es muss allerdings nicht nur die Institution Kirche überleben, sondern auch das Evangelium, das sie verkündet. Und dazu braucht es die nötige Glaubwürdigkeit, auch in der heutigen Zeit. Der Zölibat wie auch der Umstand, dass Frauen der Zugang zum Priesteramt untersagt ist, werden heute vielfach nicht mehr verstanden. Vielleicht kann also unsere Kirche viel an Glaubwürdigkeit und vielleicht auch an Gläubigen zurückgewinnen, wenn sie Priester und Priesterinnen hat.
Warum ist Rom der Status quo denn überhaupt so wichtig?
Die traditionelle Kirche vertritt die Ansicht, dass Jesus ein Mann und nicht verheiratet war. Daher könne auch nur ein unverheirateter Mann den Sohn Gottes vertreten. Es gibt allerdings auch Lehren, nach denen unter den Jüngern Jesu auch Frauen waren.
Auch Sie persönlich stellen die Haltung Roms in diesem Punkt infrage.
Es handelt sich um eine Frage der Gerechtigkeit, um eine Frage der pastoralen Not. In Zeiten, in denen nicht genügend Priester zu finden sind, ist für viele nicht einzusehen, warum viele Menschen, die fähig wären, nicht mit dieser Aufgabe betraut werden dürfen.
Die Priesternot dürfte weiter anwachsen. Ist es also eine Frage der Zeit, bis die Kirche irgendwann einlenken wird?
Man sollte einfach nicht warten, bis auch die letzte Frau ausgetreten ist. Auch die Katholische Kirche kann irgendwann zu spät kommen.
Spüren Sie denn den Rückhalt unter den Katholiken in der Region?
Er gibt sicher viele, die solche Neuerungen befürworten würden. Gerade auch in Pfarreien, die keinen eigenen Priester mehr haben. Allerdings sind gerade auch in Basel die verantwortlichen Gremien solchen Forderungen gegenüber eher zurückhaltend eingestellt.
Inwiefern?
Es gibt eben manche, die einfach der Institution Kirche folgen, ohne etwas zu hinterfragen.
Zudem müsste der Bischof zustimmen.
Es ist schwierig zu sagen, wie der Bischof auf die Forderungen reagieren wird. Er ist natürlich gebunden, da er dem Papst Gehorsam gelobt hat. Und Papst Johannes Paul II. wollte über das Thema gar nicht erst diskutieren. In einer Pastoralinstruktion von Papst Paul VI. aus dem Jahr 1972 ist allerdings enthalten, dass man innerhalb der Kirche über alles diskutieren dürfen soll.
Daniel Ballmer