Schluss. 1994 erklärte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und heutige Papst Benedikt XVI. die Frauenfrage für erledigt. (Foto Keystone)

Bischof und Geistlichkeit üben sich in Zurückhaltung – der Vatikan wird offiziell kaum reagieren.
Monika Hungerbühler, Mitglied des Initiativkomitees für die kirchlichen Gleichstellungsinitiativen und Leiterin der Offenen Kirche Elisabethen, hoffte bei der Einreichung der beiden Volksbegehren vor zehn Tagen auf eine Lawine. Doch bis anhin ist es bei Schneeflocken geblieben. Vor allem bei der Geistlichkeit herrscht Schweigen. Mag sein, dass Bischof Felix Gmür dazu am vergangenen Freitag auf Telebasel den ultimativen Tarif durchgegeben hat. Die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Zulassung von Frauen zum Priestertum, für die sich der Kirchenrat und die Synode im Falle einer Annahme durch das Kirchenvolk einzusetzen hätten, seien zwar berechtigte Anliegen, «aber der Weg über die Initiativen ist der falsche», sagte Gmür. Über den richtigen Weg verlor der Bischof dann nicht mehr viele Worte.

Es fehlen starke Kampfgefährten
Von Seiten der aktiven Gemeindeseelsorger hat sich bisher nur Alex Wyss, Diakon, Leiter der Reinacher Kirchgemeinde St. Niklaus und Mitglied des Landeskirchenrats, aktiv und öffentlich für die Gleichstellungsinitiativen engagiert. Zwar nimmt Wyss seine weniger aktiven Kollegen in Schutz und weist auf deren permanente Überlastung hin. Eine gewisse Ernüchterung kann und will er aber gleichwohl nicht verhehlen, wenn er sagt: «Es ist schon so, wir haben bisher keine starken Kampfgefährten.» Dass dabei auch eine Portion Angst mitspielt, schliesst er nicht aus.
Der Liestaler Pfarrer Felix Terrier, ein Befürworter der Initiativen, gibt demgegenüber zu bedenken, dass die Seelsorger durchaus ihren Beitrag geleistet hätten, dass die Unterschriften so schnell zusammengekommen seien. Gegenwärtig gebe es von ihrer Seite eben auch nicht viel zu sagen.
Fast schon kleinmütig war und ist die Reaktion der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ) auf die Initiativen aus der Nordwestschweiz. Erst versuchte man bei der Dachorganisation der Kantonalkirchen, die Initiativen bei deren Lancierung im Juni 2011 kleinzureden. «Ob die erforderlichen Unterschriften (…) zusammenkommen, ist derzeit noch gänzlich offen», hiess es damals in der Stellungnahme der RKZKommission für Staatskirchenrecht. Zum Inhalt der Initiative meinte die RKZ-Kommission, die angesprochenen Fragen müssten von der Kirche selbst geklärt werden, «und es ist unübersehbar, dass diese Klärung weder auf lokaler noch auf schweizerischer Ebene, sondern auf weltkirchlicher Ebene zu erfolgen hat».

Behutsamkeit gefordert
Der Kommissionspräsident Benno Schnüriger verurteilt indessen weder die Initiativen noch die Initianten, weil auch er die Anliegen eigentlich grundsätzlich unterstützt. «Wir wollen die beiden Komitees sicher nicht behindern », erklärt Schnüriger. Die Zurückhaltung gegenüber den Initiativen sei aber auf die Grundsätze der RKZ zurückzuführen, wonach die öffentlichrechtlichen und die kanonisch-rechtlichen Körperschaften nach jeweils eigenem Recht handeln und deshalb einander nicht dreinreden sollten. Zwar anerkennt Benno Schnüriger, dass der einzelne Gläubige sowohl Mitglied der katholischen Kirche als auch der Kirchgemeinde oder der Kantonalkirche ist und damit beiden Körperschaften angehört. Gleichwohl mahnt der Kommissionspräsident zu behutsamem Vorgehen, «wenn in der Kirche etwas verändert werden soll».
«Falscher Weg», «Nichtzuständigkeit der Landeskirchen» lauten somit die Schlagworte derer, die sich der Problematik der katholischen Kirche zwar bewusst sind, es mit der römischen Zentrale aber nicht verderben wollen. Denn wie sehr der Schuh tatsächlich drückt, zeigen ein paar wenige Zahlen, die das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut in St. Gallen erhoben hat. Danach ging von 1991 bis 2005 die Zahl der Diözesanpriester im Bistum Basel um ein Viertel, in den Bistümern St. Gallen und Sitten um ein Drittel zurück. Im Jahre 2005 kamen auf zehn Todesfälle von Diözesanpriestern im Bistum Basel knapp zwei Priesterweihen, in St. Gallen und Sitten 1,5. Das Durchschnittsalter der Priester lag damals bei 55. Von 240 Theologiestudenten im Jahr 2005 waren 41 Priesteramtskandidaten. Die Verhältnisse haben sich seither mit Sicherheit nicht verbessert.
Alex Wyss findet es daher «fast schon peinlich», ein derart dringliches Anliegen mit Diskussionen über richtige und falsche Wege zu relativieren, zumal es seit dem 2. Vatikanischen Konzil Pflicht der Gläubigen sei, sich einzubringen. Und er erhält Unterstützung seitens der Kirchenrechtler Adrian Loretan und Urs Brosi. Auch für Loretan ist klar, dass die Fragestellung nach Zölibat und Frauenpriestertum nicht dem landeskirchlichen Recht untersteht. Aber die Basler Initiativen seien eine Möglichkeit zu demonstrieren, dass es sich bei den Forderungen um dringliche Anliegen handelt. «Zudem ist es besser, wenn die Gleichheitsfrage von den Katholikinnen und Katholiken selber aufgeworfen wird», sagte Adrian Loretan gegenüber Radio DRS. Urs Brosi ging noch einen Schritt weiter: «Sollten die kirchlichen Körperschaften dereinst wegen der Ungleichbehandlung von Mann und Frau unter Druck geraten, können die Initiativen als Signal dafür gewertet werden, dass sich diesbezüglich etwas bewegt», sagte Brosi gegenüber der BaZ.

Das Konto mit Minuspunkten steigt
Und mit welchen Reaktionen auf die unbotmässigen Vorstösse aus der Nordwestschweiz, deren Lancierung im vergangenen Sommer von Radio Vatikan immerhin vermeldet wurde, ist aus Rom zu rechnen? Offiziell würden diese dort nicht zur Kenntnis genommen. Inoffiziell indessen schon. Und zur Konsequenz hätten sie, dass der Minuspunktesaldo der katholischen Kirche Schweiz wieder etwas grösser werde, meint ein langjähriger Kenner der vatikanischen Verhältnisse.

Thomas Gubler, Basler Zeitung