Von Ursa Krattiger
Kurz nach der Wahl von Papst Franziskus sah ich sie zum ersten Mal bei Beckmann in der TV-Talkshow, die junge Theologiestudentin Jacqueline Straub aus Freiburg i. Br., und am 26. März erneut im ORF-2-Beitrag «Jesus und die verschwundenen Frauen» – bei ihrer Begegnung mit der feministischen Theologin Elisabeth Schüssler-Fiorenza von der Harvard Divinity School. Jacqueline Straub will Priesterin werden. Fühlt sich zutiefst dazu berufen. Und zwar dort, wo sie religiös zu Hause ist und sozialisiert wurde: in der katholischen Kirche. So einfach ist das. Und scheint so unmöglich.
Diesen Wunsch hörte ich öfter. Etwa von Helen Schüngel-Straumann, der ersten Schweizer Katholikin, die als Theologin promovierte und in Bonn und Kassel Professorin wurde für Altes Testament. Für Radio DRS schufen wir zusammen in den frühen 1980er-Jahren Sendungen über vergessene Frauen in der Bibel. Oder von meiner geistlichen Mutter Catharina J. M. Halkes aus Nijmegen, die 1977 als Leiterin des Projektes «Christentum und Feminismus» an einem UNO-Seminar in Groningen referierte: über das neue Bild des Menschen aus der Sicht feministischer Theologie. Und ich kam mit einem Interview für die damals neue Basler Zeitung nach Hause.
Später wurde der Lehrstuhl für Feministische Theologie geschaffen und Tine Halkes feierlich und von Frauen geleitet in ihre Professur eingesetzt. Und als Papst Johannes Paul II. die Hochschullehrerin auf seiner Hollandreise nicht empfangen wollte, lud sie ein zum Seminar «… und Sarah lachte». In unseren Tagen will eine junge Frau, die eine Enkelin, ja Urenkelin dieser Vorkämpferinnen sein könnte, katholische Priesterin werden und sagt das in aller Öffentlichkeit. Ruhig. Selbstverständlich. Lächelnd. Raubt mir damit den Schlaf, und wenn ich träume, dann zeigen meine Traumbilder Priesterinnen, Prophetinnen, weise Frauen und Göttinnen, wie wir sie kennen seit der Urzeit der Menschheit.
Ich bin eine Priesterin ohne Kirche. Als Pfarrerstocher habe ich mich früher als Laienfrau in der Kirche – dann als gelernte Historikerin, Politologin und Berufsfrau im Journalismus seit meiner Begegnung mit Catharina Halkes auf den Weg der feministischen Theologie gemacht, der mich schliesslich zu einer nicht-mehr-christlichen Naturfrömmigkeit, zur Göttinnenbewegung und in eine eigenständige feministische Spiritualität geführt hat.
Auf diesem Boden arbeite ich heute als Anbieterin nichtkonfessioneller religiöser Dienstleistungen. Oft habe ich nicht verstanden, mich sogar darüber aufgehalten, warum meine katholischen Freundinnen und Schwestern im Geiste ihrer Kirche, unter der sie so manifest leiden, die Treue halten. Für mich war der Exodus aus dem Haus der Kirche Zwinglis wichtig und richtig.
Eine Tine Halkes wollte keinen Auszug. Jacqueline Straub will ihn nicht. Und hat für sich recht damit. Ich verstehe, dass sie das will, worauf sie ein Recht hat. Und dafür kämpft. Ruhig. Selbstverständlich. Lächelnd. Das bewegt mich tief. Und ich wünsche ihr und mir, dass sie noch zu meinen Lebzeiten zur Priesterin geweiht wird. Ich reiche ihr die Hand in der Gemeinschaft derer, die sich im Dienst wissen von «Amor, che move il sole e l’altre stelle», jener Liebe, die die Sonne bewegt und die anderen Sterne – Dantes letzte Worte im «Paradies» («Göttliche Komödie»).
UrsaKrattiger, Basel, Buchautorin, Politologin, Journalistin, ave-rituals, ave-lecturing.