Für Rechtsprofessorin Denise Buser ist das Verbot der Frauenordination nicht mehr haltbar.

Bis anhin war mehr oder weniger klar: Das Frauenpriestertum in der katholischen Kirche ist ausgeschlossen. «Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.» So steht es im kanonischen Recht. Und dieser Ausschluss der Frau vom Priestertum galt als unantastbar, weil er durch das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gedeckt schien. Zudem wurde von Kirchenrechtlern stets darauf hingewiesen, dass es für Männer keinen Anspruch auf Empfang der Priesterweihe gibt. Also könnten Frauen ebenfalls keine Priesterweihe beanspruchen.

Dem widerspricht nun die Basler Titularprofessorin für öffentliches Recht, Denise Buser, in ihrer neusten Publikation «Die unheilige Diskriminierung». Laut Buser sind Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsprinzip höher zu werten als das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. «Glaubenslehren können nicht grundrechtlich geschützt werden, wenn sie Ziele verfolgen, die anderen Grundrechten krass entgegenstehen», schreibt die Basler Juristin. Ihrer Ansicht nach ist auch das oft ins Feld geführte Argument, auch für Männer gebe es keinen Weiheanspruch, untauglich. Und zwar deshalb, weil grundsätzlich jeder römisch-katholische Mann die Weihe empfangen kann, Frauen aber einzig aufgrund ihres Geschlechts «ausnahmslos und von vornherein vom Weiheakt ausgeschlossen sind». In dieser Nichtzulassung liegt laut Denise Buser eine Diskriminierung, die einzig aufgrund des Geschlechts erfolgt und daher eigentlich unzulässig ist.

Nun steht aber dem Gleichheitsgebot das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und somit die kollektive Religionsfreiheit der katholischen Kirche gegenüber. Und dieses Grundrecht ermöglicht es den Religionsgemeinschaften, so weit wie möglich selbstständig und ohne staatliche Einschränkungen wirken zu können. Es besteht somit ein klassischer Konflikt zwischen zwei Grundrechten, den es zu lösen gilt.

Grundsatzurteil im Fall Röschenz

Um die Frage, welches der beiden Rechte vorgeht, zu beantworten, verweist Denise Buser auf das Grundsatzurteil des Baselbieter Kantonsgerichts im Fall Röschenz aus dem Jahr 2007. In selbigem entschied das Gericht gegen den Bischof von Basel, welcher dem Röschenzer Priester Franz Sabo die Bewilligung zur Ausübung seines Berufs, die Missio canonica, entzogen hatte, ohne ihm das rechtliche Gehör zu gewähren und ohne den Entscheid korrekt zu begründen. Das Kantonsgericht setzte damit den Entzug faktisch ausser Kraft, obschon es sich dabei um eine innerkirchliche und damit rein kirchenrechtliche Angelegenheit handelt. Das Gericht kam zum Schluss, dass sich der bischöfliche Entscheid unmittelbar auf öffentliche-rechtliche Angelegenheiten wie die Anstellung des Pfarrers auswirke. Und es wertete daher den Anspruch auf rechtliches Gehör stärker als die innerkirchliche Disziplinarmassnahme. Auch Weihebedingungen sind eine innerkirchliche Angelegenheit, die öffentlich-rechtliche Auswirkungen haben können. In ihrer Auslegeordnung, in welcher Denise Buser eine Gewichtung der Interessen zugunsten und zulasten der beiden Grundrechte vornimmt, entscheidet sie sich schliesslich klar zugunsten des Gleichheitsgrundsatzes.

Aus Konsens wurde Dissens

Ihr Hauptargument ist dabei, dass sich der – möglicherweise während Jahrhunderten bestehende Konsens – über die zweitrangige Stellung der Frau in der Kirche aufgelöst und in einen Dissens verwandelt hat. Es bestehe inzwischen sogar eine beträchtliche Diskrepanz zwischen der Haltung der Kirchenleitung und derjenigen eines grossen Teils der Mitglieder. Die Alternative «akzeptieren oder austreten» bezeichnet sie unter diesen Umständen als nicht zumutbar. Weiter weist die Juristin auf den Priestermangel und – damit zusammenhängend – auf die Situation hin, dass für «Normalgläubige» im Gottesdienst der Unterschied zwischen Ordinierten und Nichtordinierten nicht mehr sichtbar ist.

Auch theologisch ist der Ausschluss der Frauen laut Buser nicht begründbar, da die päpstliche Bibelkommission zum Ergebnis gelangt sei, eine Zulassung der Frau zum Priestertum sei aufgrund der Bibel «nicht sicher und endgültig auszuschliessen». Und schliesslich bestehe aufgrund der zunehmenden konfessionellen Gleichgültigkeit auch kaum mehr eine Gefahr, dass die Einführung der Frauenordination zu einer Kirchenspaltung führen könnte.

Aus Busers juristischer Auslegeordnung lässt sich freilich nicht ableiten, dass die Frauenordination nun quasi subito auf dem Gebiet der Schweiz eingeführt werden muss. Die These könnte aber vielleicht dazu führen, wie die Autorin anhand von Modellfällen aufgezeigt hat, dass ein Gericht in einem konkreten Anwendungsfall die Gleichstellung höher gewichtet als die Religionsfreiheit der katholischen Kirche und damit den Frauenausschluss nicht mehr umsetzt. Beispielsweise dann, wenn eine Frau ihren Zugang zur Priesterausbildung erstreiten will, oder wenn es um die Gültigkeit der Wahl einer illegal geweihten Priesterin in einer Gemeinde geht.

Thomas Gubler, Basler Zeitung


Denise Buser: «Die unheilige Diskriminierung – eine juristische Auslegeordnung für die Interessenabwägung zwischen Geschlechtergleichstellung und Religionsfreiheit beim Zugang zu religiösen Leitungsämtern». Berlin/Zürich 2014. 100 S. Preis Fr. 29.90.