Fortschrittliche Katholiken in Stadt und Land wollen mit Initiativen die Kirchenverfassungen ändern.
Thomas Gubler
Die Behörden der Römisch-Katholischen Kirchen von Basel-Stadt und Baselland sollen verpflichtet werden, sich für den Zugang der Frau zum Priesteramt und für die Abschaffung des Pflichtzölibats einzusetzen. Das verlangen zwei Volksinitiativen.
Der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt allein aufgrund ihres Geschlechts und die Verpflichtung der Priester zum zölibatären Leben sollen nicht mehr länger hingenommen werden. Zwei katholische Initiativkomitees – je eines in Basel-Stadt und in Baselland – wollen dem Zustand ein Ende setzen; dies «mit dem sehr eidgenössischen Mittel der Volksinitiative», wie CVP-Grossrat Oswald Inglin an der gestrigen Pressekonferenz erklärte.
So sollen die katholischen Kirchenverfassungen von Basel-Stadt und Baselland mit einer Bestimmung ergänzt werden, die den Kirchenräten und Synoden der beiden Landeskirchen Beine macht. Denn diese sollen darauf hinwirken, «dass die Römisch-Katholische Kirche die gleichberechtige Zulassung – unabhängig von Zivilstand und Geschlecht – zum Priesteramt ermöglicht». Ein klarer Verfassungsauftrag, sich für die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Zulassung der Frauen zum Priesteramt starkzumachen.
Erster Schritt. Für Anita Lachenmeier, Nationalrätin der Grünen und Mitglied des basel-städtischen Initiativkomitees, ist klar, dass mit diesen Initiativen die Gleichstellung in der Kirche nicht von heute auf morgen eingeführt wird. «Das ist ein erster wichtiger Schritt in einem Prozess. Und wie wir Frauen wissen, brauchen Fortschritte viel Engagement und viel Zeit.»
Laut Monika Hungerbühler, Theologin und Leiterin der Frauenstelle der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt (RKK), soll mit den beiden gleichlautenden Initiativen die 1995 vom damaligen Papst Johannes Paul II. unterbundene Diskussion über das Thema Frau und Priestertum «neu angekurbelt werden». Und natürlich wolle man damit auch an die Adresse des neuen Bischofs ein Signal aussenden.
«Der Ausschluss der Frauen vom Priestertum steht dem Neuen Testament diametral entgegen», erklärte die Bibelwissenschaftlerin Helene Schüngel-Straumann. Kleine Reförmchen in der katholischen Kirche genügten nicht mehr. «Nur wenn der Männlichkeitswahn überwunden wird und die hierarchischen Strukturen einer geschwisterlichen Form weichen, könnte die liebenswürdige und menschenfreundliche Botschaft der Bibel wieder zum Zuge kommen», sagte Schüngel.
Glaubwürd igkeit. Und Oswald Inglin, für den der heutige Zustand «im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel schreit», zeigte sich überzeugt, «dass unsere Kirche viel an Glaubwürdigkeit und vielleicht auch an Gläubigen zurückgewinnen kann, wenn sie Priester und Priesterinnen hat».
Für das Zustandekommen der Initiativen braucht es in Basel-Stadt 700 und in Baselland 1000 Unterschriften. Unterschreiben dürfen im jeweiligen Kanton wohnhafte Mitglieder der Römisch-Katholischen Kirche, die mindestens 16 Jahre alt sind. Ende Jahr wollen die Komitees die Unterschriften beisammenhaben. Gleichzeitig hoffen sie auf Nachahmungen in anderen Kantonen.
> www.kirchlichegleichstellung.ch
Basler Zeitung, 08.06.2011