In den beiden Basel stimmt das Kirchenvolk am Sonntag über Zölibat und Frauenweihe ab.

Die Basler Katholiken stehen in diesen Tagen unter Beobachtung. Auch gewiss vom Vatikan aus. Am Sonntag stimmen die Kirchenmitglieder der beiden Basel darüber ab, ob sie für oder gegen den Zölibat und die Priesterweihe von Frauen sind. In der Kirche ist solch eine Abstimmung eine Besonderheit, sogar kurios. Von der unbefleckten Empfängnis bis zur Priesterweihe: Kirchenfragen werden in der katholischen Welt in Rom beantwortet, womöglich noch von Bischofskonferenzen diskutiert, jedoch nicht demokratisch an der Urne entschieden. Rund 91 000 Gläubige ab 16 Jahren können am Sonntag, 28. September, über die sogenannte Gleichstellungs-Initiative abstimmen und damit bekunden, wie sie zum jahrhundertealten Verbot des verheirateten Priesters stehen und wie zu der Vorstellung, eine Frau könnte die Eucharistiefeier mit der Gemeinde zelebrieren.

Möglich wird diese Abstimmung durch eine kirchen- und staatsrechtliche Konstellation, die weltweit so nur in der Schweiz vorkommt. Hierzulande ist ein Dualismus zwischen dem vatikanischen Kirchenkodex und dem Recht der Landeskirchen gewachsen. Letztere besitzen beispielsweise die Steuerhoheit, nennen mit der Synode ein gesetzgebendes Kirchenparlament aus Gemeindedelegierten ihr Eigen und kennen eben auch jenes schweizerische Grundrecht, Initiativen zu starten.

Politik drängt in die Kirche
Die kirchliche Gleichstellungs-Initiative kam 2010 ins Rollen. Unter anderem wegen Monika Hungerbühler. Die katholische Theologin arbeitet als Co-Dekanatsleiterin in Basel-Stadt. In der innerkirchlichen Hierarchie ist das eine herausgehobene Stellung. Wer an dieser Stelle den Satz gedanklich um die Worte «für eine Frau» ergänzt, nähert sich dem Kern des Problems bereits an – auch wenn das Bistum Basel bei der Förderung von Frauen in leitenden Funktionen eine liberale Haltung hat. Co-Dekanatsleiterinnen gibt es im Bistum mehrere. Gleichwohl ist Frauen der Weg zum Priesteramt verstellt, wie überall in der katholischen Kirche.

Bei einem Mittagessen mit einem Mitglied der Initiative sprach Hungerbühler darüber, dass sich etwas ändern müsse in der Kirche. Der Funke sprang über. Es fanden sich schnell weitere Katholiken, die sich der Idee anschlossen, die Kirche mit demokratischen Mitteln zu verändern. Das Initiativkomitee zählt heute 40 Mitglieder. Theologen sind darunter, Juristen, ehemalige Politiker und der Basler Theaterdirektor. «Es ist mir wichtig, dass es sich um eine staatskirchenrechtliche und keine kirchliche Initiative handelt und dass sie von Mitgliedern der katholischen Kirchen Basel-Stadt und Baselland getragen wird», sagt Hungerbühler.

Aufrufe von Theologie-Professoren, offene Briefe und Dispute in kirchennahen oder fernen Kreisen, Hungerbühler will nicht nur auf diese Weise die Kirche verändern. «Wir haben erstmals auf staatskirchlicher Ebene einen Versuch zur Veränderung unternommen», sagt Hungerbühler. Das Initiativkomitee strebt nach einem Grundsatzentscheid im Kirchenvolk.

Das Motiv für den Vorstoss ist für den Reinacher Theologen Alex Wyss, seit 1984 ständiger Diakon, nicht nur die des Priestermangels, sondern die einer eigentlichen seelsorgerlichen und sakramentalen Vernachlässigung der Gemeinden. Auch eine wachsende Zahl von berufenen Frauen und verheirateten Männern in der Seelsorge vermag für ihn den Mangel nicht wettzumachen, weil die Feier der Sakramente eben die Weihe oder priesterliche Ordination voraussetze. «Die Zumutung einer eucharistischen Hungerkur und Vertröstung auf nur noch sporadisch möglichen Sakramentenempfang lässt die Fülle kirchlichen Lebens und Feierns verarmen und vergrault die Leute», sagt der 63-Jährige. Er wünscht sich, dass die Bischöfe aufgrund des Vorstosses den Mut finden, selber initiativ zu werden und unter Gleichgesinnten den Schulterschluss im Weltepiskopat suchen. «Wir wollen Bischöfe ermutigen und ihnen den Rücken stärken, keineswegs aber in den Rücken fallen. Sie suchen ja erklärtermassen selber nach einer Öffnung des Priesteramts», sagt Wyss, der auch im Kirchenrat sitzt.

Volksabstimmungen sind aber nicht nur reizvoll, sondern haben auch ihre organisatorischen Tücken, wie die Initianten feststellten. Zumal, wenn es um die geplante Änderung einer Kirchenverfassung geht. Diese Verfassungen – in Basel-Stadt und Baselland existieren je eigene Regelwerke – stehen neben dem kanonischen Kirchenrecht. Letzteres wird durch ein Ja oder ein Nein in den beiden Basel auch nicht verändert.

Ein Umstand, der der Gleichstellungs- Initiative bereits Kritik eingetragen hat. Doch einfach ist die katholische Welt nun mal nicht gebaut: «Uns ist von Anfang an bewusst gewesen, dass die Initiative keinen sofortigen und realen Erfolg bringen wird. Es ist ein Kampf auf symbolischer Ebene», sagt Monika Hungerbühler. Sie und die anderen Initianten seien sich bewusst, dass das katholische Regelwerk unverändert bleibe, selbst wenn eine überwältigende Mehrheit den Vorstoss stützt. Die Basler stimmen konkret darüber ab, ob Kirchenräte und Synoden bei der Leitung des Bistums auf das Frauenpriestertum und die Zulassung verheirateter Priester zum Gemeindedienst hinarbeiten sollen. Im Initiativtext heisst es zur Rolle der Staatskirche und dem Dialog mit dem Bischof: «In diesem Rahmen unterbreitet sie (die Kirche in Basel-Stadt und Baselland) das Anliegen – auch bei der Weiterentwicklung des kirchlichen Rechts –, dass Veränderungen insbesondere in Bezug auf die gleichberechtigte Zulassung zum Priesteramt, unabhängig von Zivilstand und Geschlecht, ermöglicht werden. »

Wortgefechte in Binningen
Was sich auf den ersten Blick wie eine schwer verdauliche juristische Formel liest, hat dennoch das Potenzial, als Stimmungstest des katholischen Seelenlebens in die Kirchengeschichte einzugehen, wie die Befürworter der Initiative argumentieren. Ein Indiz dafür ist die aufgeladene Debatte, die über jedes einzelne Wort der Initiative selbst unter den Befürwortern geführt worden ist. Der Puls von Katholiken steigt, wenn sie über Zölibat und Frauenordination debattieren.

Das zeigt sich daran, dass die Initiative nur wenige Wochen vor der Abstimmung beinahe in den eigenen Reihen zu Fall gebracht worden wäre. Die Episode nimmt ihren Anfang wiederum in der Verfassung der katholischen Kirche von Baselstadt, wo noch ein Vetorecht des Bischofs bei Verfassungsänderungen verankert ist.

Die Folge: Bischof Felix Gmür machte von seinem Recht Gebrauch und liess den Initiativtext im vergangenen Herbst zurückgehen. Die Landeskirchenräte aus Stadt und Land fanden mit Gmür schliesslich im Dezember 2013 einen Kompromiss: Der Initiativtext sollte umformuliert werden, bevor er vors Volk kommt. Laut neuer Formel sollen die Landeskirchen den Wunsch nach Gleichstellung lediglich «unterbreiten », statt darauf «hinzuwirken».

Der Sturm der Entrüstung brach daraufhin jedoch nicht in Basel-Stadt los, sondern bei einer Synode in Baselland Ende Juni. Dort, wo kein bischöfliches Veto existiert, entzündete sich an der geänderten Formulierung ein hitziger Streit: Die Gegner des Kompromisses wollten nicht als Bittsteller auftreten, die Befürworter sahen die Gemeinschaft der beiden Kirchen während der Abstimmungskampagne in Gefahr. Der Schlagabtausch im Gemeindesaal in Binningen hatte Folgen: Die Kompromissformel wurde gekippt. Doch dadurch geriet die gemeinsame Abstimmung vom 28. September in Gefahr und somit auch jahrelange Vorarbeit. Ein Ziel der Initianten lautet nämlich: die Demonstration von Einigkeit. Erst am späten Abend einigten sich die Synodalen schliesslich und stimmten dem Kompromiss mit knapper Mehrheit zu.

Einen vergleichbaren Streit um das bischöfliche Veto wird es wohl nicht mehr geben: Bischof Felix Gmür verzichtet künftig auf sein Recht, über Verfassungsänderungen in Basel-Stadt zu entscheiden. Allerdings muss das Kirchenvolk auch in dieser Frage erst noch zustimmen. Der Bischof verabschiedet sich nach Angaben seiner Sprecherin Adrienne Suvada aus der Verfassung, weil er nicht einer öffentlich-rechtlichen Ordnung zustimmen möchte, zu der er nichts zu sagen hat. Für viele Katholiken in Basel ist aber auch klar: Gmür vermeidet mit dem Verzicht eine Positionierung zu pikanten kirchenpolitischen Entscheidungen.

Am Ende entscheidet der Papst
Die Position des Bistums zur Initiative selbst fällt zurückhaltend aus: Die Verfassungsteilrevision könne weder das gesamtkirchliche Recht noch die Ordnung der römisch-katholischen Kirche verändern, heisst es dort erwartungsgemäss. Es sei, so das Bistum, also irreführend zu meinen, über diese Initiative könne direkt die Abschaffung des Pflichtzölibats oder die Zulassung der Frauen zum Priesteramt erwirkt werden. Das könne letztlich nur durch den Papst geschehen. Allerdings wird der gemeinsame Kompromissvorschlag als Weg zum Dialog mit den zuständigen kirchlichen Organen beschrieben, unter Wahrung der je eigenen Zuständigkeitskompetenzen, wie es Suvada formuliert. «Dialog ist in der Kirche immer möglich. Deshalb können die Gläubigen ihre Anliegen dem Bischof auch vortragen», schreibt Suvada.

Die Kampagne für die Abstimmung startete an Maria Himmelfahrt. Monika Hungerbühler hofft seither auf eine grosse Stimmbeteiligung. Helfen könnte dabei, dass das Stimmvolk am Sonntag über die Fusions-Initiative entscheidet. Sollte die kirchliche Initiative angenommen werden, treten die geänderten Verfassungen wohl ab 2015 in Kraft. Monika Hungerbühler sagt: «Wir wollen ein Zeichen an die Kirchenleitung setzen. Die Kirche befindet sich heute in einem grossen Konflikt, der dazu führt, dass ihr viele Mitglieder den Rücken zukehren.»

Welche Folgen dieses allfällige Zeichen schliesslich hat, ist kaum abschätzbar. Der Präsident der Synode Basel- Stadt, Walter Ziegler, will im Falle eines Ja jedenfalls nicht nur auf die Reaktion der Bischöfe warten, sondern den erwarteten Rückhalt nutzen: «Sollten wir nicht ab 2. Januar Barrikaden bauen?», fragt er. Ein Satz, der gewiss auch im Vatikan vernommen wird.

Patrick Griesser, Basler Zeitung


Zwischen Glauben und Disziplin

Der Zölibat, das ehelose Leben, und das Verbot des Priestertums für Frauen existiert in der Kirche bereits seit Jahrhunderten. Beim Zölibat handelt es sich um eine Bestimmung, die erst im 11./12. Jahrhundert zu einem Kirchengesetz geworden ist – unter anderem aus der Erfahrung der Lebenspraxis in Klöstern heraus. Diese Bestimmung fällt unter die Kategorie der so genannten Disziplinargesetze, die auch wieder geändert werden können. Die entsprechende Hürde wird an diesem Punkt vor allem durch die Tradition aufgebaut, wie Kirchenrechtler argumentieren.

Die Schwelle zu einer Aufhebung liegt beim Verbot der Frauenordination hingegen deutlich höher. Bei dieser Einschränkung handelt es sich um eine Bestimmung, die auf biblische Grundlagen zurückgeführt wird und je nach Position unter Theologen auch stark umstritten ist. Allerdings wurde das Verbot in neuerer Zeit unter anderem von Papst Johannes Paul II. bekräftigt.