„Staat und Kirchen müssen glaubwürdig für Grundrechte eintreten“, sagt Felix Hafner, Professor für Öffentliches Recht in Basel. 

Während Religionen bestimmte Glaubensrichtungen vertreten, darf sich der Staat an keinen Glauben binden. Aus der Religionsfreiheit folgt, dass er grundsätzlich öffentliche Glaubensäusserungen weder vorschreiben noch verbieten darf. Grenzen ergeben sich dann, wenn dadurch der öffentliche Friede in Frage gestellt wird. Grenzen ergeben sich ferner bei Glaubensäusserungen im Bereich des auf religiöse Neutralität verpflichteten Staates. Dabei ist in diesen Fällen der genaue Grenzverlauf umstritten, wie die Debatten um die Verwendung religiöser Symbole in den staatlichen Schulen zeigen.

Fest steht, dass das in der schweizerischen Bundesverfassung verankerte Minarett-Bauverbot eine die Religionsfreiheit verletzende Grenzziehung darstellt. Minarette stellen weder den öffentlichen Frieden noch die religiöse Neutralität des Staates in Frage. Der Rechtsstaat verliert an Glaubwürdigkeit, wenn er seine an den Freiheitsrechten orientierte Wertordnung mit solchen Verboten relativiert.

Religionen und Kirchen gestalten diese Wertordnung mit. Dadurch helfen sie mit zu verhindern, dass solche Eingriffe in die Religionsfreiheit im demokratischen Rechtsstaat mehrheitsfähig werden. Dies kann ihnen aber nur gelingen, wenn sie die Grundrechte, zu denen auch die von ihnen beanspruchte Religionsfreiheit gehört, nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, sondern sich engagiert und glaubwürdig für sie einsetzen. Dazu gehört auch deren Durchsetzung innerhalb der eigenen Ordnung, etwa durch Beseitigung von Vorschriften, mit denen Frauen diskriminiert werden. Ein gutes Zusammenwirken von Religionen, Kirchen und Staat ist nur möglich, wenn es sich glaubwürdig an den
Grundrechten als gemeinsamem Bezugspunkt orientiert.

Felix Hafner